Samstag, 24. Januar 2009
 
Salzburger Kunstwerkkrieg PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Dieter Braeg   
Montag, 31. März 2008

Das Leben in Salzburg ist ein schweres. Es wiegt Tonnen und alle haben es zu verantworten. Schon vor Jahren brach, einer schweren Heimsuchung gleich, über die Stadt ein Denkmal herein. Da war Pest und Cholera nur ein laues Frühlingslüfterl gegen das, was da aus den intellektuellen Köpfen und den Tastaturen tröpfelte und von dort seinen richtigen Ort fand – die Leserbriefseiten der Salzburger Nachrichten.

War früher noch Hexenverbrennung angesagt, da war der Volkszorn zum Mozartdenkmal von Markus Lüppertz viel größer und vernichtender. Vor einer Kirche aufgebaut, verführte es einen „Kunstprotestler“ sogar dazu, das Denkmal im wahrsten Sinne des Wortes zu teeren und federn.

Schon vorher schändete die Gruppe Gelatine die Salzburger Festspiele mit einem Kunstwerk, das zu deutlich macht, wo was und wie in Salzburg Festspielkultur ist. Zielgenau pinkelte da, vor dem Kleinen Festspielhaus platziert, ein Mann in den eigenen Mund. So ein „KulturUrinkreislauf“ führte zu sofortiger Zensur. Ein gelber Bretterverschlag „schützte“ die zur feierlichen Festspieleröffnung eilende Schickeria. Und „damit nix passiert“, wurde das „sichtgeschütze Kunstwerk“ vom Wachdienst einer 24-Stunden Überwachung unterzogen.

Auch da loderte der Volkszorn und alle die einen Kreidestrich nicht von einer Kohlezeichnung unterscheiden können und „Essig&Öl“ für den Untergang des Abendlandes durch moderne Kunst verantwortlich machten, konnten den Mund nicht halten. Also wurde gleich vermutet, dass nun der Fremdenverkehr um Salzburg einen großen Bogen machen würde, weil da eine seltsame Art von moderner Kunst Sitte&Anstand unterwandert. Dafür ist ja auch dadurch gesorgt, dass seltsamerweise während der Festspiele keine Obdachlosen oder Bettler zu sehen sind im Festspielbezirk und in der näheren Umgebung.

Neuester Streit im Spiel Moderne Kunst gegen gesundes Volkskunstempfinden ist der Kiefer Pavillon im Furtwängler Park. Nein, nicht der Park wird umbenannt, obwohl man dazu eigentlich bei Eberhard Straub (Die Furtwänglers. Geschichte einer deutschen Familie – München 2007) nachlesen könnte, wie sich Furtwängler während der Nazi-Zeit verhalten hat. Straub stellt den Dirigenten als ausgeprägten Opportunisten dar.

Es geht um das Kunstwerk "A.E.I.O.U.“ von Anselm Kiefer: das steht mitten im Furtwängler Park, der neu gestaltet werden soll. Erinnern wir uns an die Biennale von Venedig im Jahre 1980. Kiefers Bilder sowie die Skulpturen von Georg Baselitz verursachten einen Aufruhr: die Betrachter mußten entscheiden, ob die scheinbar nationalsozialistischen Motive ironisch gemeint waren oder ob damit faschistoide Ideen transportiert werden sollten. Kiefer arbeitete in der Überzeugung, dass die Kunst einer traumatisierten Nation und einer irritierten, geteilten Welt Heilung bringen könnte. 1999 wurde Anselm Kiefer der Praemium Imperiale der Japan Art Association für sein Lebenswerk verliehen. In der Begründung der Preisvergabe heißt es: „ Nur wenige zeitgenössische Künstler haben einen so ausgeprägten Sinn für die Verpflichtung der Kunst zur Beschäftigung mit der Vergangenheit und ethischen Fragen der Gegenwart, und sind in der Lage die Möglichkeit auszudrücken, Schuld durch menschliche Anstrengung zu tilgen.“

Was ist im Kiefer Pavillon zu sehen? Bisher war er jeweils nur während der Festspielzeit geöffnet. Hier kann nun leider nur eine bruchstückhafte Inhaltsbeschreibung erfolgen. Jedenfalls sieht man Stacheldraht der aus einem riesigen Gemälde ragt. Am oberen Gemälderand sind zwei Zeilen Text zu entdecken: teils leicht, teils, vor dem stark strukturierten Hintergrund, schwer zu lesen - wie in Sand geschrieben. Es ist ein Zitat aus dem Gedicht „Das Spiel ist aus“ von Ingeborg Bachmann, der großen Dichterin, der Anselm Kiefer eine Reverenz erweisen wollte. "Wach im Zigeunerlager und wach im Wüstenzelt, es rinnt uns der Sand aus den Haaren, dein und mein Alter und das Alter der Welt misst man nicht nach den Jahren“. Am linken Bildrand kann man die Widmung „für Ingeborg“ lesen. Gegenüber dem Wüstengemälde steht ein Bücherregal mit sechzig übergroßen Büchern aus Blei. Die Bleibuchseiten stammen vom Dach des Kölner Doms, die Kiefer gekauft hat, als der Dom renoviert wurde. Anselm Kiefer sagte dazu: "Ich habe mir vorgestellt, dass der Raum in eine Art Dornröschenschlaf gefallen ist. Jeder Besucher kann das Werk zum Leben erwecken, so wie der Ritter aus dem Märchen Dornröschen wach küsste."

Der Pavillon stört, wie alles stört, was sich gegen jene Mozartkugelkultur richtet, die Schmalz triefen lässt und sich mit „Jedermann – Ausverkauft – Rufen“ ins ewige Kulturelend begibt, „Denn stark wie die Liebe ist der Tod“ so das Motto der Festspiele 2008, mit dem man Elitärkultur für Merkel&Co produziert.

Hier eine der zahlreichen „Volksstimmen“ zum Pavillon und der sonstigen „Kunst“ die in Salzburg herumsteht. Herr Dr. Georg Berger-Sandhofer schreibt: “Als echter Salzburger, hier geboren, die Schule besucht und hier aufgewachsen, bin ich wie viele Salzburger entsetzt, wie sich Salzburg in den letzten Jahrzehnten entwickelt und in welchem Ausmaß zerstört hat. Undefinierbare, so genannte Kunstwerke verschandeln das einmalige Stadtbild der herrlichen Altstadt in einem geradezu unverschämten Ausmaß. Man denke nur an die in jeder Beziehung grässliche Statue vor der Ursulinenkirche, an den unansehnlichen Kiefer-Pavillon, der überdies den Blick auf die Kollegienkirche im Furtwänglerpark (vormals Botanischer Garten) vor dem Festspielhaus, dem Haus für Mozart, zerstört und die nichts sagende Kugel auf dem Kapitelplatz. Also alles Objekte, die auf ihren Plätzen die Schönheit der Stadt vernichten. Neuerdings wird von einem sonderbaren Gebilde auf dem Makartplatz vor der Dreifaltigkeitskirche von Fischer von Erlach, dem einzigen bedeutenden sakralen Bauwerk der rechten Altstadt gesprochen. Alle derartigen Objekte sollten beim Museum der Moderne auf dem Mönchsberg aufgestellt werden! Niemand in Italien käme jemals auf die Idee, das Lüpertzwerk auf dem Markusplatz vor der berühmten Markuskirche in Venedig oder die Kugel auf dem Kapitelplatz vor dem Petersdom aufzustellen. Es wäre interessant, die Statuten der Salzburg Foundation zu kennen. Offensichtlich will man die Stadt mit Gewalt vernichten.“

Der echte Salzburger macht es dem Wiener nach und geht…unter!

In der Zwischenzeit ist das Kunstwerk auch noch zum Schwarzbau geworden, weil es nur mit einer befristeten Baugenehmigung aufgestellt wurde. Damit aber, weil die Zeiten immer größer werden, der Meeresspiegel steigt und die Polkappen abschmelzen, auch die Politik nicht zu kurz kommt, hier ein Brief des zuständigen Kommunalpolitikers Johann Padutsch zur Causa Kiefer Pavillon – mehr „Kunst“ ist wirklich nicht möglich: „Im Sommer 2002 staunte nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch ein Großteil der Politik der Stadt Salzburg, als quasi über Nacht ein Kubus aus Betonsteinen im Furtwänglergarten sozusagen vom Himmel gefallen war. Karl Gollegger, Spitzenmann der ÖVP und Vizebürgermeister der Stadt, hatte als Präsident der Salzburg Foundation das Kunstwerk von Anselm Kiefer im Furtwänglergarten aufstellen lassen und als Ressortverantwortlicher für die Baubehörde, am 13.06. 2002, die befristete Baubewilligung dafür erteilt. Das kann man nun als Pioniertat für die Kunst oder als Zwangsbeglückung mit einem ungewollten Bauwerk deuten, jedenfalls ist es Tatsache. Seine Aussagen, wonach dies ohnedies nur für drei Jahre vorgesehen wäre, entpuppten sich kurze Zeit später als völlig haltlos, weil das Konzept der Salzburg Foundation immer von einer mindestens zehnjährigen Aufstellungsdauer ausgegangen ist.

Gollegger verließ bekanntlich im Dezember 2004 die Politik, ich, als sein Nachfolger als Ressortchef der Baubehörde, hatte ihn im Frühjahr 2005 nur mühsam davon überzeugen können, dass die Salzburg Foundation die beantragte (und rechtlich mögliche) Verlängerung der Baubewilligung von fünf Jahren zumindest auf drei Jahre einschränkt, damit im Zuge der Neugestaltung Max-Reinhardt-Platz/Furtwänglergarten eine offene Diskussion für das Kunstwerk und über den Aufstellungsort geführt werden kann.

Bei der Ausschreibung des Wettbewerbes zur Neugestaltung Max-Reinhardt-Platz, war die Beibehaltung des Kiefer-Pavillons nicht vorgesehen und es war wieder der ÖVP-Vizebürgermeister Gollegger (damals noch im Amt), der nach Durchführung des Wettbewerbes darauf bestanden hat, den Kiefer-Pavillon im Zuge der Umgestaltung des Furtwänglergartens zu berücksichtigen und beizubehalten.

Aber auch in jüngster Zeit war es die ÖVP, die meine Bemühungen, um einen neuen angemessenen Standort für das Kunstwerk zu finden, behindert bzw. torpediert hat. Erst im letzten Jahr in Person von Frau Gemeinderätin Dr. Elisabeth Werner, die unseren Vorschlag, die Aufstellung des Kunstwerkes im Hof des Toskanatraktes, als Alternative zum jetzigen Standort, ernsthaft anzugehen, von vornherein abgewürgt hat, in dem sie als Vizerektorin dies für die Universität entschieden zurückgewiesen hat.

Und jetzt stellt sich der neue Spitzenmann der ÖVP und Nachfolger Golleggers her und versucht, mit der Ablehnung des Pavillons im Furtwänglergarten, parteipolitisches Kleingeld zu machen, bei einem Kunstwerk, das nur durch den geschilderten einsamen Alleingang der Stadt-ÖVP überhaupt existiert! Polemisch formuliert: Die ÖVP hat uns das Ganze nicht nur eingebrockt, sondern will jetzt auch noch parteipolitische Vorteile daraus ziehen. Das ist, gelinde gesagt, schäbig, feig und rückgratlos.

Aber auch ansonsten entgleist die Diskussion zur Bilderstürmerei. Wenn etwa der ORF in seiner Frage zum Tag nur mehr die Meinung zum "Kunstwerk" Pavillon abfragt und das eigentliche Kunstwerk (die beiden gegenüberliegenden, Ingeborg Bachmann gewidmeten Kunstwerke, im Wechselspiel mit dem Innenraum des Pavillons) nicht einmal mehr erwähnt, dann ist es wohl an der Zeit, ein anderes Niveau in die Diskussion zu bringen. Aus meiner Sicht, und das habe ich mit meinen Aktivitäten mehr als einmal dokumentiert, kann man ja tatsächlich die Verträglichkeit des gemauerten Kubus, seiner Proportionen, seiner rigiden Erscheinung im Furtwänglergarten in Frage stellen! Man muss aber, alleine schon aus Respekt vor dem Künstler Anselm Kiefer, dessen Schaffen insgesamt unbestritten auf höchstem Niveau ist, aus Respekt vor Ingeborg Bachmann, ihrem Leben und ihrer Geschichte, und im Sinne einer angemessenen niveauvollen Diskussion über Kunst und Kultur im öffentlichen Raum, in diesem Zusammenhang wohl zumindest das Gesamtwerk diskutieren, und nicht seine Außenhaut. Ich werde deshalb in Abstimmung mit der Salzburg Foundation eine öffentliche Diskussion zum Kunstwerk insgesamt und nicht nur zu seiner Außenhaut und zum Standort Furtwänglergarten organisieren. Im Vorfeld dieser Diskussion ist es notwendig, das Kiefer-Kunstwerk zu öffnen und mit organisierten Führungen der Bevölkerung anzubieten, sich ein Bild vom Gesamten und nicht nur von der Außenhaut zu machen, auch dies wird in Abstimmung mit der Foundation geschehen.

Die Diskussion soll sowohl mit Menschen, die im Bereich der Kunst und Kultur versiert sind, als auch mit der Bevölkerung geführt werden. Sowohl zum Thema Kunstwerk, als auch zum Thema Standort, und sie kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie nicht mit parteipolitischem Kalkül geführt wird, sondern mit dem Ziel einer gemeinsam getragenen Lösung.

Kollegen Preuner und der Stadt-ÖVP sei ins Stammbuch geschrieben, dass man sich von der eigenen Verantwortung und den eigenen Handlungen nicht einfach drücken kann und gerade als Politiker die Verpflichtung hat, offen und der Sache verpflichtet zu handeln und nicht nach offensichtlich populistischem und parteitaktischem Kalkül.“

Lassen wir noch einmal Volkes Kunstexpertenstimme zu Wort kommen. Herr Harald Gattermair meint: “Sehr geehrter Herr Padutsch, Ihre Empörung über die Eigenmächtigkeit des ehemaligen Vizebürgermeisters Karl Gollegger ist mir durchaus verständlich und nachvollziehbar. Allerdings scheint mir Ihre eigene Außenhaut nicht weniger dick zu sein, als jene des umstrittenen „Pavillons“, denn nur so können Sie die seifenblasenartige Dünne Ihrer Argumentation verkraften. Es geht doch hier darum, wie dieser vierschrötige Klotz in das Bild seiner Umgebung passt. Selbst wenn der heilige Gral darinnen ruhte, wäre dieser ungelenke Würfel ein ästhetisches Ärgernis. Jeder Baum, jeder Strauch, der im Frühling erblüht, ist dem Andenken Ingeborg Bachmanns gerechter als dieses kubische Monstrum. Reißen Sie es weg und pflanzen Sie einen lebenden Baum, unter dem Sie die Worte der Dichterin erklingen lassen. Damit erreichen Sie einen wirklichen Gesamteindruck. Diskussionen über Inhalte sind ebenso zwecklos wie ermüdend.“

Was es sonst noch in Salzburg gibt, teilt uns der dem Personenkult frönende Bürgermeister Heinz Schaden (Sozialabbau Partei Österreich) mit. Man sei „Europameister Stadt“. Ja!? Bitte wo fand den die Stadteuropameisterschaft statt?

Das EuropaMeisterStadtplakat das dies verkündet ist eine Kunst. Ein Riese ist er, der Bürgermeister und ein weibliches und zwei männliche Zwergerl dürfen mitspielen. Nun denn, die Zeit dräut drängend und sucht Entscheidungen. Am 30. April 1938 hat man ja auf dem Salzburger Residenzplatz Österreichs einzige Bücherverbrennung zelebriert. Wie wär’s, lässt sich da nicht zum 70er Jubiläum der Kiefer Pavillon „warm“ abtragen? Vorher allerdings, da haben noch die Sprayer zugeschlagen. Eine Gruppe „FS Crew“ „verzierte“ den Kiefer Pavillon.

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